Chronik
1963
ÜBERBLICK ZUR SCHULGESCHICHTE
Infos zur Schulgeschichte 1947-2004
-Gründung der Oberschule Torgelow am 01.09.1947 mit 35 Schülern einer 9. Klasse (Schulpflicht dauerte damals nur 8 Jahre!)
-erste Abiturprüfung Juni 1951
-Auflösung und Angliederung der Oberschule „Friedrich Wolf“ in Boock
-bis zum Schuljahr 1953/54 gibt es jährliche Versetzungsprüfungen
-Dezember 1959 Bezeichnung EOS (zunächst Abitur + berufspraktisches Jahr)
-der Unterricht erfolgt im Gebäude der Pestalozzischule
-dort finden in der Turnhalle auch erste Theateraufführungen statt
-der Unterricht in diesem Hause wird nach einem Brand im Januar 1954
zunächst in einer Steinbaracke in der Waldstraße fortgesetzt
-ein Internat gibt es am Hüttenwerkplatz (Mädchen) ab 1950 und
in der Waldstraße (Jungen) ab 1952
-zunächst wohnen noch viele Schüler in Privatquartieren
-Internat auf dem jetzigen Schulgelände (heute Gebäude III) wurde im Februar 1960 eingeweiht
(1992 Einrichtung der Kursräume im ehemaligen Internat)
-März 1959 Fertigstellung der Turnhalle
-Mai 1959 Einweihung des Schulgebäudes und Verleihung des Namens „Kopernikus-Oberschule“
-ab Schuljahr 1985/86 kommen Schüler erst ab Klasse 11 an diese Schule
-1991 im Kopernikus-Gymnasium Torgelow werden erstmals Schüler ab Klasse 5
unterrichtet
–2004 Ende des Torgelower Kopernikus-Gymnasiums
-die Gebäude werden bis 2006 als Außenstelle des Gymnasiums Ueckermünde genutzt
-2006 Zweites Altschülertreffen unter dem Motto: „Wir machen das Licht aus!“
Relegierungen
-1954/55 Marianne Brunner
-Proteste von Abiturienten gegen den Mauerbau in Anklam und Pasewalk 1961
-September 1961 Axel Krefft
-besonders schlechte Abiturergebnisse 1953 und 1962
Schüler kehren als Lehrer in ihre Schule zurück
B. Geisler, G. Schleenvoigt, K. Rehbein, H. Wittenberg, K. Greinert, H. Runge, R. Westphal,
K. Koesling, T. Maier, M. Zinn, S. Salow, D. Büttner…
M. Dittmann, T. Beilke, R. Manteufel, M. Matz, J. Wienke…
Partnerschaften bis 2000
-ab 1972 mit dem Kopernikus-Lyzeum in Kolobrzeg/Kolberg (Polen)
-ab 1990 mit dem deutschen Gymnasium für Nordschleswig in Abenraa/Apenrade (Dänemark)
-ab 1993 Schüleraustausch mit dem Collège Jeanne d`Arc in Clermont-Ferrand (Frankreich)
Sternwarte/Planetarium
-Errichtung der Sternwarte mit dem Hauptgebäude 1958
-1980 die Archenhold-Sternwarte Berlin verschenkt ein Planetariumsgerät ZKP 1 an unsere Schule
-1987 Baubeginn für ein Planetariumsgebäude und Einweihung Juni 1993
Gebäude II
-Eröffnung der Pavillion-Oberschule mit zwei 9. Klassen September 1963
-Unterricht in den Pavillions ab 1964
-Umbau der Pavillions zu Fachräumen – Nutzung als solche ab September 2000
Galerie
-erste künstlerische Arbeiten 1968
-Juli 1970 im früheren Fahrradkeller entstehen Galerieräume
Quelle: Jahrgangsheft Nr.1 1997, bearbeitet
ABITURFRAGEN 1981
Prüfungsthemen zum mündlichen Abitur 1981
MUSIK
-Beweisen Sie an Hand der Matthäus-Passion, dass Bachs Musik mit voller Berechtigung einen festen Platz in der sozialistischen Musikkultur einnimmt!
-Beweisen Sie die aktive Funktion der Musik im Leben des finnischen Volkes an Hand der gehörten Tondichtung (Sibelius)!
BIOLOGIE
-Beschreiben Sie die Struktur der DNS und die Verschlüsselung der Erbinformation. Vergleichen Sie Wesen und Ablauf von Mitose und Meiose. Begründen Sie das jeweilige Ergebnis aus dem Ablauf heraus.
-Ordnen Sie die Farne und Samenpflanzen auf der Grundlage ihrer Gewebedifferenzierung in das System der Pflanzen ein! Leiten Sie aus der Vermehrung der Farne und Samenpflanzen deren unterschiedliche relative Umweltunabhängigkeit ab!
ENGLISCH
Der erste Generalsteik in Großbritannien
Britanniens arbeitslose Jugendliche
Ein angemessenes Denkmal (Marx Gedenkbibliothek)
Internationale Freundschaft stärkt den Frieden
Friedenskämpfer und Atomwissenschaftler Eric Burhop
Der Ozean und das Oel
James Fenimore Cooper
Der alte Mann und das Meer
Sean O`Casey, Dramatiker und Kommunist
Ein hervorragender amerikanischer Sportler (Jesse Owens)
CHEMIE
-Erläutern Sie am Beispiel der Elemente Al, S und Cu den Atombau. Gehen Sie besonders auf die Elektronenkonfiguration der Elemente sowie auf die Zusammenhänge zwischen dem Atombau, der Stellung des Elements im PS und den Eigenschaften ein.
STAATSBÜRGERKUNDE
-Warum stellt die marxistische Philosophie einen qualitativen Sprung in der Geschichte der Philosophie dar?
-Wie erklären Sie sich, dass es bisher noch nicht zur Durchsetzung des Gesetzes der Übereinstimmung der Pv mit dem Charakter der Pk in der BRD gekommen ist?
ABITURJAHRGANG 1977 TRIFFT SICH 2012
Jahrgangstreffen 2012 Stolze 735 Jahre nach dem Abitur
Die Schulzeit liegt für diese Damen und Herren schon 35 Jahre zurück. Doch noch immer trifft sich die Klasse regelmäßig in Ueckermünde. Von unserem Redaktionsmitglied Silvio Wolff
Alle fünf Jahre treffen sich die Schüler des ehemaligen Kopernikusgymnasiums in Torgelow vom Jahrgang 1977. Der Handstand durchs Lokal hat dabei schon gute Tradition und durfte auch bei der Auflage zum 35-Jährigen nicht fehlen.
Ueckermünde. Ein kleines Fältchen hier, ein graues Härchen dort – das kann nach 35 Jahren schon mal passieren. Doch beim Klassentreffen waren sie dann alle wieder fast wie in jungen Jahren und die Schulzeit plötzlich wieder lebendig. Auch nach 35 Jahren erinnern sich die Schulfreunde noch gut an ihre gemeinsame Zeit und die tolle Gemeinschaft. So erklärt sich, dass sie immer wieder zusammenfinden wie jetzt beim Klassentreffen im Ueckermünder Lokal „Zum goldenen Stern“.
Zur Schule gingen sie damals in Torgelow, wo sie 1977 ihr Abitur ablegten. Von den 26 Schülern waren nun immerhin 21 zum Treffen gekommen. „Das macht zusammen stolze 735 Jahre“, sagt Karin Boldt mit einem Lächeln. Sie hat sich viel Mühe mit der Organisation gegeben, um eben die alte Truppe wieder zusammenzutrommeln. Einige hat es in die Ferne gezogen. Manche sind aber auch ihrer Heimat treu geblieben. Die weiteste Anreise hatte Jürgen Israel, der nun in München wohnt. Doch auch er durfte nicht fehlen, genauso wenig wie sein traditioneller Handstand durch das Lokal. Damit beeindruckt der ehemalige Akrobat auch im Alter von jetzt 53Jahren noch immer.
Doch natürlich ging es nicht nur um alte Geschichten. So treffen sich die Altkopernikaner alle fünf Jahre. Da wird schon die Frage gestellt: Was ist in der Zwischenzeit passiert? Aus den ehemaligen Schülern sind heute Ärzte, Lehrer, Ingenieure und einiges mehr geworden. Da hat jeder etwas zu erzählen. So ging das Treffen bis spät in die Nacht oder vielleicht sollte man besser sagen, bis in den frühen Morgen. Und so mancher freut sich bestimmt auf das nächste Treffen in fünf Jahren. Hoffentlich wieder so zahlreich.
Die Teilnehmer bedanken sich besonders bei Uwe Bogumil vom „Goldenen Stern“ und dem guten Büfett von Katrin Wagners „Rin un Rut“.
http://www.nordkurier.de/cmlink/nordkurier/lokales/ueckermuende/stolze-735-jahre-nach-dem-abitur-1.409292 30.12.2013
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VERÖDUNG DES LÄNDLICHEN RAUMES 2004
Eine Schule verschwindet Bald wird es das Kopernikus-Gymnasium im mecklenburgischen Torgelow nicht mehr geben. Es fehlen die Schüler – in Ostdeutschland kein Einzelfall Von Ulla Hanselmann
Am Kopernikus-Gymnasium in Torgelow gibt es einen schönen Brauch: das Einklingeln. Dazu versammeln sich die neuen Fünftklässler am ersten Schultag im Schulhof. Beim Klang einer kleinen Glocke wird der Name eines jeden auf eine Tafel geschrieben. Neun Jahre später beendet am Tag vor der ersten schriftlichen Abiturprüfung das Ritual des „Ausklingelns“ die Gymnasialzeit. „Da werden die Namen der Schüler wieder weggewischt“, erklärt Marén Heinzelmann.
Die 19-Jährige hat das „Ausklingeln“ schon hinter sich. Mit dem Abi 2003 in der Tasche, will sie Germanistik und Theaterwissenschaften in Berlin studieren. Gern wäre die ehemalige Schulsprecherin in zehn, zwanzig Jahren zu den traditionellen Jahrgangs-Treffen an ihre alte Schule zurückgekehrt. Doch das wird nicht gehen: Die Lehranstalt soll von nun an „jahrgangsweise auslaufen“ und in vier Jahren geschlossen werden, so hat es der Kreistag im Frühjahr beschlossen. Wenn am kommenden Montag der Unterricht wieder beginnt, treten keine aufgeregten Fünfer durch das Schultor – und die Glocke bleibt stumm.
Das Kopernikus-Gymnasium teilt sein Schicksal mit vielen Lehranstalten in der Republik. Vor allem im Osten greift das Schulsterben um sich. Der Grund: Die Geburtenzahlen sind seit mehr als zehn Jahren am Sinken, in den neuen Ländern verstärkt die Abwanderung noch den Schülerschwund. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Laut Prognosen der Kultusministerkonferenz wird sich die Schülerzahl in Deutschland bis 2020 um fast 20 Prozent gegenüber 2000 verringern. Die neuen Länder müssen bis 2010 sogar mit einem Rückgang um rund 35 Prozent von 2,6 auf 1,7 Millionen Schüler rechnen.
Das Kopernikus-Gymnasium ist eine von vier Abiturientenschmieden im Landkreis Uecker-Randow und die einzige in Torgelow, einer Kleinstadt mit 11000 Einwohnern, nahe der polnischen Grenze. Ein hufeisenförmiger Altbau in typisch graubraunem DDR-Putz und ein helles, flaches Pavillongebäude, das nach der Wende dazugekommen ist, umschließen eine Wiese im Zentrum der Stadt. An warmen, sonnigen Tagen sitzen die Kids während der Pausen in kleinen Grüppchen auf dem Campus, ein heiteres Bild.
Angst vor fremden Lehrern
Aus dem Altbau ragt eine Kuppel auf: Die Schule verfügt als einziges Gymnasium des Bundeslandes über ein Planetarium und eine Sternwarte, der ganze Stolz der „Kopernikaner“. Die genießen im ganzen Landkreis einen guten Ruf, nicht zuletzt wegen der vielen außerschulischen Aktivitäten, die das nicht sehr üppige Kulturangebot in der Region bereichern. Die Aufführungen der Theater-AG seien ein echtes Lokalereignis, sagt Marén Heinzelmann. Sie selbst hat regelmäßig auf der Bühne der Schulaula gestanden, zuletzt als Mrs. Martin in dem Ionesco-Stück Die kahle Sängerin, und hat dabei ihre Leidenschaft fürs Theater entdeckt. Auch die Kunstgalerie in einem umgebauten Fahrradkeller, in der Schüler und Künstler ihre Arbeiten zeigen können, zieht auswärtiges Publikum an.
Die traditionsreiche Schule wird langsam schrumpfen, zusammenschnurren wie ein Ballon, aus dem die Luft entweicht. Denn während ein Abitursjahrgang nach dem andern abgehen wird, wachsen von unten keine neuen Schüler mehr nach. Der Rumpf von etwa 400 Schülern, der am Ende des Schuljahrs 2006/07 übrig bleiben wird, muss die restlichen Gymnasialjahre im Nachbarort Ueckermünde absolvieren.
45 Jungen und Mädchen hätten sich zum jetzt beginnenden Schuljahr bei Schulleiter Gerd Michalik angemeldet. Zu wenig, um drei fünfte Parallelklassen zu bilden. Doch laut Verordnung des Kultusministeriums zur Schulentwicklungsplanung in Mecklenburg-Vorpommern müssen Gymnasien „in der Regel mindestens dreizügig“ geführt werden. Die Torgelower hätten 61 Fünfer gebraucht, denn „der 31. und der 61. Schüler teilt“, erklärt der Schulleiter die Klassenbildungs-Formel. Auch in den folgenden Jahren würden sich nicht genügend Abitursanwärter unter den Grundschülern im Einzugsbereich von Torgelow finden, hieß es aus der Kreisverwaltung in Pasewalk, die für die Planung des Schulnetzes in ihrem Hoheitsgebiet zuständig ist. Die Lösung: Aus vier Gymnasien im Kreis werden drei. Aufgestockt mit den Torgelowern, bringt das Ueckermünder Albert-Schweitzer-Gymnasium, das ebenfalls unter starkem Schülerschwund leidet, dann genügend Fünfer für die nötige Dreizügigkeit zusammen.
Der Geburtenknick nach der Wende erreichte Mitte der Neunziger die Grundschulen und ließ in Mecklenburg-Vorpommern mehr als ein Drittel von ihnen eingehen. In den nächsten Jahren schlägt er auf die weiterführenden Bildungsanstalten durch. So werden im Jahr 2009 voraussichtlich nur noch 31 000 Jungen und Mädchen das Abitur anstreben – vor zwei Jahren waren es mehr als doppelt so viele. Wie viele der jetzt noch bestehenden 84 Gymnasien dichtmachen müssen, kann das Ministerium in Schwerin nicht vorhersagen. Nur so viel: „Die Zahl wird sich nicht halbieren“, versichert Sprecherin Heike Neitzert. Sonst würden sich zu lange Schulwege für die Jugendlichen des ostdeutschen Flächenlands ergeben. „Wir können die Menschen nicht dafür bestrafen, dass sie in dünn besiedelten Gegenden wohnen.“ Deshalb werde es Sondergenehmigungen für Gymnasien geben, die keine Dreizügigkeit zustande bekommen.
45 Minuten für die Fahrt ins Klassenzimmer allerdings hält man in den zuständigen Behörden für zumutbar. Für eine Ausnahmeregelung reicht es bei den Torgelowern nicht – es sind nur 17 Kilometer nach Ueckermünde, eine halbe Stunde höchstens mit dem Bus. Der deutlich längere Schulweg, das frühere Aufstehen, die anfallenden Fahrtkosten, das ist noch das wenigste, was den Torgelower Schülern an der bevorstehenden Schließung stinkt. Viel schlimmer sei die Ungewissheit, sind sich die Zehntklässler Susanne, Markus und Sebastian einig. Ihr Jahrgang ist der letzte, der einmal in Torgelow das Abitur ablegen wird – theoretisch. Aber, so mutmaßen sie, vielleicht werden sie ja doch früher nach Ueckermünde verlegt?
Für Claudia ist die Vorstellung, womöglich die 13. Klasse in Ueckermünde absolvieren zu müssen und dort von fremden Lehrern geprüft zu werden, „ein Horror“. „Hier kennen wir die Lehrer und wissen, was sie hören wollen“, sagt sie. Mitschüler Markus fügt hinzu: „Unsere Schule ist doch unser zweites Zuhause!“ Auch die Jüngeren, die vom Wechsel auf jeden Fall betroffen sein werden, machen sich jetzt schon Sorgen. „Wer weiß, ob die in Ueckermünde den gleichen Stoff behandelt haben wie wir?“, rätselt ein Achtklässler, andere munkeln, die Lehrer seien strenger und man dürfe den Schulrasen nicht betreten.
Nicht nur auf dem Pausenhof, sondern auch im Lehrerzimmer blickt man voller Argwohn und mit unverhohlener Trauer in die Zukunft. „Da geht eine Großfamilie auseinander“, sagt Manfred Matz. Seit 19 Jahren ist er an dem Gymnasium Mathematiklehrer, in dem er selbst einmal, wie etliche seiner Kollegen, die Schulbank gedrückt hat; eine ehemalige Schülerin von ihm unterrichtet inzwischen selbst in ihren alten Klassenzimmern. Nach der Schließung rechnen die 34 Pädagogen damit, in verschiedenen Schulen unterrichten zu müssen, um ihre Stundenzahlen zusammenzubekommen.
Verordnete Teilzeit
Zudem müssen 18 von ihnen bis dahin Teilzeit arbeiten – denn weil weniger Schüler unterrichtet werden müssen, drängt das Kultusministerium mehr als ein Drittel der 9000 Pädagogen, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Wenn sich die Lehrer darauf nicht aus freien Stücken einlassen, droht eine so genannte Änderungskündigung, die die Arbeitszeit neu festsetzt. Eine Aussicht, die etliche von ihnen darüber nachdenken lässt, einen Job im Westen zu suchen, obwohl ihnen der Weggang schwer fallen würde. „Wir sind hier verwurzelt“, sagt Deutschlehrerin Christa Michalik.
Und auch, wenn sich nur wenige trauen, das so direkt zu sagen, und „es eigentlich nicht sein darf“, wie eine Kollegin meint, wissen sie alle: Die Motivation, das Engagement wird leiden – in und vor allem außerhalb des Unterrichts. Christa Michalik etwa leitet seit vielen Jahren die Theater-AG. Für sie und rund 20 Schüler heißt das nicht nur streckenweise drei- bis fünfmal pro Woche Proben am Nachmittag und jede Menge Theatertermine am Wochenende, zum Beispiel für die Aufführungen im örtlichen Altenheim oder bei den Klassentreffen. Jedes Jahr im Frühjahr und an Weihnachten stellt die Lehrerin einen Abend mit Gedichten, Liedern und Theatereinlagen auf die Beine. Doch jetzt, angesichts der bevorstehenden Schließung und der „Zwangsteilzeit“, wie sie es nennt, ist ihr die Theater-Lust vergangen. Ein Weihnachts-Stück wird es dieses Jahr vielleicht nicht geben.
Das Schulleben jenseits des Unterrichts aber sei doch „das Salz in der Suppe“, sagt ihr Mann, Schulleiter Michalik. Das, was die Schulzeit zu einem wichtigen Stück Lebenszeit und die Schule zu einem Identifikationsort macht, für die Schüler und noch mehr für die Lehrer. Am Kopernikus-Gymnasium ist die Sorge groß, dass die Suppe in den letzten Jahren ziemlich fade schmecken wird.
„Einfach platt gemacht“
Als die Schließungspläne publik wurden, flammten Empörung und Kampfesgeist auf. Michalik kann in null Komma nichts dicke Papierbündel produzieren, mit Briefen, Anträgen, Listen und Schülerzahlen-Übersichten herumwirbeln, die den Kampf um die Schule dokumentieren. Es gab Schulkonferenzen, Bürgerversammlungen und sogar 4000 Unterschriften gegen die Schließung. Genützt hat es den Torgelowern nichts. Auch der Vorschlag, die Schule wenigstens als Progymnasium, also nur mit den Klassen 5 bis 10 weiterzuführen, sei vom Tisch gewischt worden, klagt Schulleiter Michalik. Sein Vorwurf: „Es wurde nie ernsthaft nach Alternativen gesucht.“ Warum, so fragt er, lässt man keine kleineren Klassen zu? Und gibt sich die Antwort gleich darauf selbst: „Es geht doch nur darum, Lehrer und damit Geld zu sparen.“
An den Klassengrößen zu schrauben, hält man im Schweriner Kultusministerium indes nicht für das geeignete Mittel, dem Schülerschwund zu begegnen. „Noch kleinere Klassen würden einfach einen Riesenbedarf an Lehrern bedeuten“, so Sprecherin Neitzert. „Da müssten wir für eine Hand voll Schüler noch einmal den kompletten Satz an Lehrern bereitstellen. Doch diese Lehrer bekämen wir wiederum, je nachdem, welche Fächer sie unterrichten, gar nicht voll beschäftigt.“ Außerdem liege man schon jetzt mit durchschnittlich 19 bis 24 Schülern weit unter den Klassengrößen anderer Bundesländer – in Bayern etwa seien um die 30 Schüler pro Klasse die Regel.
Argumente, für die man in Torgelow kein Verständnis hat. „Einfach platt gemacht“ habe man sie, sagen dort die einen, die anderen, Schüler wie Lehrer, reden von Parteinahme für das Konkurrenz-Gymnasium in Ueckermünde. Die meisten Torgelower denken so. Seine Schule zu verlieren ist bitter, nicht nur für die direkt Betroffenen, Schüler, Eltern, Lehrer. Wenn ein Gemeinwesen eine Schule aus dem Portfolio streichen muss, kratzt das enorm am Selbstwert – und die Bildungsversorgung des Nachwuchses wird zum heiß umkämpften Politikum. Mancherorts fetzen sich die Kommunen mit dem Kultusministerium, widersetzen sich den Schließungsbeschlüssen des Landkreises, ziehen vor die Verwaltungs- oder Amtsgerichte; anderswo gehen Eltern auf die Barrikaden oder in den Hungerstreik. Viele Bürgermeister fürchten, auf teuer sanierten Schul-Immobilien sitzen zu bleiben.
Aber bei dem Schulkampf geht es nicht nur ums Geld, sondern auch ums Image. Nicht umsonst wird gerade im Osten so verbissen um den Erhalt der Schulen gestritten. Denn die gehören zu dem wenigen, was die Kommunen noch auf der Haben-Seite auflisten können. Auch Torgelow weiß, was verlieren heißt: Nach der Wende brach die historische Eisenindustrie zusammen; aus 16000 NVA-Soldaten in der Region wurden rund 4000 Bundeswehr-Posten. Mehr als 3000 Arbeitsplätze gingen verloren – und die Menschen zogen fort aus Torgelow. Die Stadt hat seit 1990 17 Prozent ihrer Einwohner verloren; statt 13500 wie damals wird sie in zehn Jahren nur noch etwa 9000 haben. Es gehen vor allem die Jungen, Ausgebildeten, und die „bildungsfernen Schichten“, so Michalik, bleiben.
„Ein Gymnasium in einer sonst gesunden Situation zu verlieren, das ist verkraftbar“, sagt Bürgermeister Ralf Gottschalk. „Aber in der Summe fängt das an, unerträglich zu werden.“ Dabei weiß er, dass Jammern für seine Stadt das falsche Signal wäre, und listet Positives wie die Vereinslandschaft, die Sportanlagen, den hübsch sanierten Ortskern oder ein geplantes deutsch-polnisches Berufsbildungszentrum auf. Aber ihm ist klar, dass er im Kampf gegen die Abwanderung mit dem Gymnasium eine Trumpfkarte verloren hat. Wieder wird ein Stück Leben aus der Stadt weichen. „Wenn die Schule zu ist, ist Torgelow so gut wie tot“, glaubt auch Marén Heinzelmann und fügt hinzu: „Das ist wie ein Sargnagel.“
http://zeus.zeit.de/text/2003/34/C-Schulschlie_a7ung
LESERBRIEFE ZUR ZUKUNFT DER GYMNASIEN IM ALTKREIS UECKER-RANDOW AN DIE REDAKTION DES NORDKURIERS
Ganzheitliches Denken Zum Beitrag „Es muss allein um die Schüler gehen“ in unserer Zeitung vom 11. März 2004:
Die Diskussion um die Zusammenführung der Gymnasien Torgelow und Ueckermünde stellt bisher hauptsächlich formale Aspekte in den Mittelpunkt. Das ist unzureichend und berücksichtigt nicht bisherige Fehlentwicklungen und neue Chancen, die die Neugründung eines gemeinsamen Gymnasiums in Ueckermünde bietet. Nur kritisieren, auf übergeordnete Stellen verweisen oder in Schwerin protestieren lenkt von eigenen, internen Defiziten der Leitungs-, Lehr- und pädagogischen Arbeit ab. „Was muss anders werden als bisher?“, so haben viele Eltern, Schüler, aber auch Lehrer seit Jahren die bisherige Schulleitung in Ueckermünde erfolglos gefragt Antworten hierauf gibt das Leben außerhalb des Gymnasiums zur Genüge – man muss sie nur wahrnehmen wollen und sich dazu ein wenig von der eingefahrenen, internen Selbstbeschäftigung abwenden.
Die Wirtschaft, Hochschulen und Berufsbildung verlangen von Abiturienten heute unerbittlich problemorientiertes, fachübergreifendes, also ganzheitliches Denken. Sie erwarten selbstbewusstes, aber nicht überhebliches Auftreten, Offenheit und Sozialverhalten. Gefragt sind weiterhin Zuverlässigkeit, Ordnung und Engagement – sehr häufig auch internationale Kompetenz und Toleranz sowie die dazu erforderlichen Sprachkenntnisse. Weitaus weniger als gemeinhin angenommen, werden Spitzenergebnisse auf den Zeugnissen gerne gesehen – ohne die zuvor genannten Fähigkeiten bleibt der Weg in das Berufsleben schwierig.
Insofern kann ein Gymnasium dann nicht mit „Förderklassen“ glänzen, wenn es andere Schüler zurück lässt und nicht auch deren Fähigkeiten entfaltet. Wer meint, diese (unvollständigen) Anforderungen an Abiturienten seien übertrieben oder zu anstrengend, der möge hinaus gehen und – berufsvorbereitend – Informations- beziehungsweise Bewerbungsgespräche führen, sich der Konkurrenz auf dem Lehrstellen- oder Studienplatzmarkt stellen.
Lehrer haben Recht, wenn sie ein weit verbreitetes Desinteresse von Eltern daran, wie sich ihre Kinder am Gymnasium entwickeln, beklagen. Und sicher gehört eine Anzahl von Schülern tatsächlich nicht an ein Gymnasium, sondern – zum eigenen Wohle – besser an eine Realschule. Doch diese Argumente entheben Lehrer und Schulleiter nicht ihrer Verantwortung, sich ständig neu und verstärkt jenen rapiden Veränderungen und Anforderungen zu stellen, die ihre Schutzbefohlenen nach dem Abitur „draußen“ erwarten. Dazu aber bedarf es einer offenen, wissbegierigen und selbstbewussten Atmosphäre unter den Schülern, die von der Lehrerschaft ausgehen muss; es bedarf des Vertrauens zueinander und in die eigene Kraft. Wenn – wie wir es seit Jahren erfahren mussten – am Ueckermünder Gymnasium derartige Anforderungen aus dem Leben und die Notwendigkeit eigener Veränderungen durch die Schulleitung, weitestgehend ignoriert werden, sollte es schließen und sich neu gründen. Denn dann wird es dem humanistischen Bildungsauftrag nicht mehr in aktueller Weise gerecht. Dies zu korrigieren – darin besteht jetzt eine einmalige Chance!
Dr. sc. D.-U. Soschinka, Kalkstein
© Nordkurier Mittwoch, 17. März 2004, 6 Uhr 10 Minuten.